Re: Pressespiegel 22/23
Verfasst: 4. Okt 2022, 19:51
Eishockey
EHC Biel: Der Fall Rathgeb, der vielleicht gar kein Fall ist
Yannick Rathgeb ist nach den Vorfällen in der Schlussphase des Spiels zwischen Biel und Lugano am Samstag ins Rampenlicht gerückt. Muss der Bieler Verteidiger eine harte Strafe befürchten?
Raoul Ribeaud|br
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Gespielt sind 58:20 Minuten am Samstagabend in der Tissot Arena. Der Bieler Fabio Hofer wird von Luganos Connolly mit dem Stock in den Rücken gestossen. Hofer wird mit dem Kopf voran gegen die Bande hinter dem Tessiner Tor geschleudert. Sofort eilt Hofers Teamkollege Yannick Rathgeb herbei und schlägt mit der Faust auf den Tessiner ein, der sich dafür revanchiert. Der Linienrichter Michael Stalder geht dazwischen und zieht den Bieler Verteidiger retour. Zurückgehalten, kassiert Rathgeb zunächst einen Schlag von Calvin Thürkauf, der über die Schulter von Michael Stalder schlägt. Thürkauf, der sich frei bewegen kann (der zweite Linienrichter greift nicht ein), schlägt mit der linken Hand auf Rathgeb ein. Dieser bekommt seinen rechten Arm frei, um Thürkauf zurückzugeben. Er trifft dessen linken Arm, streift dann schliesslich das Gesicht von Michael Stalder.
Die Beurteilung der Hauptschiedsrichter Lemelin und Tscherrig: zwei Minuten gegen Connolly, zwei Minuten gegen Thürkauf, Spieldauerdisziplinarstrafe gegen Rathgeb. Bislang ist noch kein Verfahren seitens der Liga gegen den Bieler Verteidiger eingeleitet worden. Am Montag kontaktiert, sagt Michael Tscherrig: «Mein Kollege Mark Lemelin hat die Strafen beschlossen. Auf dem Eis habe ich sie gutgeheissen.»
Aggressionen gegen Schiedsrichter
Im Schweizer Eishockey sind Aggressionen gegen Schiedsrichter in drei Kategorien eingeteilt:
Verunglimpfung oder körperliche Bedrohung eines Offiziellen: Sperre von 2 bis 4 Spielen.
Gewalttätiges Verhalten gegen einen Offiziellen ohne die Absicht, ihn zu verletzen: Sperre von 4 bis 9 Spielen.
Absichtliches Schlagen eines Schiedsrichters oder vorsätzliche Anwendung körperlicher Gewalt mit dem Ziel, ihn zu verletzen: mindestens 10 Spiele.
Als ehemaliger Schiedsrichter und heutiger Berater beim TV-Sender MySports ist Stéphane Rochette dem Schiedsrichterteam in der Eishockeywelt eng verbunden geblieben. Was sagt der «Mann, der alles weiss» über den Fall Rathgeb? «Erstens, und das ist das Wichtigste, scheint klar, dass Rathgeb den Linienrichter nicht geschlagen hat. Jedenfalls ist in der Faustkampfszene nichts zu erkennen. Wenn er für den Rest des Spiels bestraft wird, dann wegen der wiederholten Aggressionen, als Linienrichter Stalder ihn bereits festhält. Unter diesen Umständen hätte Rathgeb sich beruhigen müssen.»
Allerdings: Vom Linienrichter festgehalten, während der Gegner weiter auf ihn einschlägt, wie konnte sich Rathgeb da beherrschen? Und wie ist das Nichteingreifen des zweiten Linienrichters zu verstehen, der Thürkauf auf Rathgeb einprügeln lässt? «Wir haben es mit zwei aufstrebenden Linienrichtern zu tun, denen in solchen Gedrängen manchmal noch die Routine fehlt», erklärt Stéphane Rochette. «Wenn es in Nordamerika zu einer Schlägerei kommt, raufen die Kontrahenten einer gegen einen. In der Schweiz drängen alle Spieler in völliger Unordnung in die Szene. Am Samstag handelten die Herren Stalder und Burgy im Eifer des Gefechts so schnell wie möglich.»
Verfahren gegen Guillaume Maillard
Am Montag teilte die Liga mit, dass ein Verfahren eröffnet wurde, allerdings nicht gegen Yannick Rathgeb, sondern gegen Guillaume Maillard. Der Stürmer des EHC Biel soll bei der 5:6-Niederlage des EHC Biel am Freitag in Rapperswil ein Vergehen gegen einen Schiedsrichter begangen haben.
Unmut bei Schiedsrichtern
In der jüngeren Vergangenheit wurden die beiden Genfer Pouliot und Mercier sehr hart bestraft, weil sie auf dem Eis mit einem Schiedsrichter zusammengestossen waren. «Leider», erklärt der Spezialist, «scheint es, dass diese Strenge in dieser Saison nicht mehr angewendet wird. Seit Beginn der Meisterschaft wurden nicht weniger als vier Schiedsrichter von Spielern in Bewegung gerammt. Natürlich unfreiwillig, wie diese behaupten.» Stéphane Rochette weiter: «Die Reaktion der Zuständigen der Liga: nichts, keine Sanktionen. Die Schiedsrichter haben langsam die Nase voll und es würde mich nicht wundern, wenn sie auf die eine oder andere Weise reagieren würden, um ihren Unmut zu zeigen.»
Wem oder was ist dieser Kurswechsel zu verdanken? Seit Beginn dieser Saison werden diese Fälle dem Urteil des Seeländers Philippe Rytz in seiner Funktion als Senior Officiating Manager, einer Art technischer Manager der Schiedsrichter, anvertraut. «Ein netter Kerl, der sich vielleicht ein wenig seine Spielermentalität und das Gefühl bewahrt hat, dass viele Dinge entschuldbar sein können», sagt Stéphane Rochette. Es würde ihn wundern, wenn die Strafe hoch ausfallen würde.
Angesprochen auf die Situation, konnte sich Philippe Rytz am Montag nicht zum aktuellen Fall äussern.
Publiziert am 04.10.2022,06:03
EHC Biel: Der Fall Rathgeb, der vielleicht gar kein Fall ist
Yannick Rathgeb ist nach den Vorfällen in der Schlussphase des Spiels zwischen Biel und Lugano am Samstag ins Rampenlicht gerückt. Muss der Bieler Verteidiger eine harte Strafe befürchten?
Raoul Ribeaud|br
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Gespielt sind 58:20 Minuten am Samstagabend in der Tissot Arena. Der Bieler Fabio Hofer wird von Luganos Connolly mit dem Stock in den Rücken gestossen. Hofer wird mit dem Kopf voran gegen die Bande hinter dem Tessiner Tor geschleudert. Sofort eilt Hofers Teamkollege Yannick Rathgeb herbei und schlägt mit der Faust auf den Tessiner ein, der sich dafür revanchiert. Der Linienrichter Michael Stalder geht dazwischen und zieht den Bieler Verteidiger retour. Zurückgehalten, kassiert Rathgeb zunächst einen Schlag von Calvin Thürkauf, der über die Schulter von Michael Stalder schlägt. Thürkauf, der sich frei bewegen kann (der zweite Linienrichter greift nicht ein), schlägt mit der linken Hand auf Rathgeb ein. Dieser bekommt seinen rechten Arm frei, um Thürkauf zurückzugeben. Er trifft dessen linken Arm, streift dann schliesslich das Gesicht von Michael Stalder.
Die Beurteilung der Hauptschiedsrichter Lemelin und Tscherrig: zwei Minuten gegen Connolly, zwei Minuten gegen Thürkauf, Spieldauerdisziplinarstrafe gegen Rathgeb. Bislang ist noch kein Verfahren seitens der Liga gegen den Bieler Verteidiger eingeleitet worden. Am Montag kontaktiert, sagt Michael Tscherrig: «Mein Kollege Mark Lemelin hat die Strafen beschlossen. Auf dem Eis habe ich sie gutgeheissen.»
Aggressionen gegen Schiedsrichter
Im Schweizer Eishockey sind Aggressionen gegen Schiedsrichter in drei Kategorien eingeteilt:
Verunglimpfung oder körperliche Bedrohung eines Offiziellen: Sperre von 2 bis 4 Spielen.
Gewalttätiges Verhalten gegen einen Offiziellen ohne die Absicht, ihn zu verletzen: Sperre von 4 bis 9 Spielen.
Absichtliches Schlagen eines Schiedsrichters oder vorsätzliche Anwendung körperlicher Gewalt mit dem Ziel, ihn zu verletzen: mindestens 10 Spiele.
Als ehemaliger Schiedsrichter und heutiger Berater beim TV-Sender MySports ist Stéphane Rochette dem Schiedsrichterteam in der Eishockeywelt eng verbunden geblieben. Was sagt der «Mann, der alles weiss» über den Fall Rathgeb? «Erstens, und das ist das Wichtigste, scheint klar, dass Rathgeb den Linienrichter nicht geschlagen hat. Jedenfalls ist in der Faustkampfszene nichts zu erkennen. Wenn er für den Rest des Spiels bestraft wird, dann wegen der wiederholten Aggressionen, als Linienrichter Stalder ihn bereits festhält. Unter diesen Umständen hätte Rathgeb sich beruhigen müssen.»
Allerdings: Vom Linienrichter festgehalten, während der Gegner weiter auf ihn einschlägt, wie konnte sich Rathgeb da beherrschen? Und wie ist das Nichteingreifen des zweiten Linienrichters zu verstehen, der Thürkauf auf Rathgeb einprügeln lässt? «Wir haben es mit zwei aufstrebenden Linienrichtern zu tun, denen in solchen Gedrängen manchmal noch die Routine fehlt», erklärt Stéphane Rochette. «Wenn es in Nordamerika zu einer Schlägerei kommt, raufen die Kontrahenten einer gegen einen. In der Schweiz drängen alle Spieler in völliger Unordnung in die Szene. Am Samstag handelten die Herren Stalder und Burgy im Eifer des Gefechts so schnell wie möglich.»
Verfahren gegen Guillaume Maillard
Am Montag teilte die Liga mit, dass ein Verfahren eröffnet wurde, allerdings nicht gegen Yannick Rathgeb, sondern gegen Guillaume Maillard. Der Stürmer des EHC Biel soll bei der 5:6-Niederlage des EHC Biel am Freitag in Rapperswil ein Vergehen gegen einen Schiedsrichter begangen haben.
Unmut bei Schiedsrichtern
In der jüngeren Vergangenheit wurden die beiden Genfer Pouliot und Mercier sehr hart bestraft, weil sie auf dem Eis mit einem Schiedsrichter zusammengestossen waren. «Leider», erklärt der Spezialist, «scheint es, dass diese Strenge in dieser Saison nicht mehr angewendet wird. Seit Beginn der Meisterschaft wurden nicht weniger als vier Schiedsrichter von Spielern in Bewegung gerammt. Natürlich unfreiwillig, wie diese behaupten.» Stéphane Rochette weiter: «Die Reaktion der Zuständigen der Liga: nichts, keine Sanktionen. Die Schiedsrichter haben langsam die Nase voll und es würde mich nicht wundern, wenn sie auf die eine oder andere Weise reagieren würden, um ihren Unmut zu zeigen.»
Wem oder was ist dieser Kurswechsel zu verdanken? Seit Beginn dieser Saison werden diese Fälle dem Urteil des Seeländers Philippe Rytz in seiner Funktion als Senior Officiating Manager, einer Art technischer Manager der Schiedsrichter, anvertraut. «Ein netter Kerl, der sich vielleicht ein wenig seine Spielermentalität und das Gefühl bewahrt hat, dass viele Dinge entschuldbar sein können», sagt Stéphane Rochette. Es würde ihn wundern, wenn die Strafe hoch ausfallen würde.
Angesprochen auf die Situation, konnte sich Philippe Rytz am Montag nicht zum aktuellen Fall äussern.
Publiziert am 04.10.2022,06:03